Wolfgang Brunner – Nachtzug
Mit dem Nachtzug von Wolfgang Brunner erwartete mich ein Thriller mit einer Einmischung von Horror, Wissenschaft und Fantasy, wobei ich leider von allem, inklusive Thriller, doch zu wenig vorfand. Die Protagonisten sind der gerade von seinem Verleger abgebügelte Autor Kassner, die Werbetexterin Kempf und der in eine Genforschungslabor versetzte Tierpfleger Marek. Erzählt wird in zwei Handlungssträngen, einem Schneechaos, dass Kassner und Kempf zusammenführt und mit dem ICE ins Unglück fahren lässt, und einem Ausbruch genmanipulierter Wesen. Letzteres führt indirekt zu dem Unglücksfall und somit zur Verknüpfung der beiden Stränge zur Mitte des Buches.
Während im Autorenstrang lediglich der Zug ein wenig Fahrt aufnahm, hielt einen der Laborstrang alleine durch den Fluchtversuch Mareks vor den ausgebrochenen Tieren bei der Stange. Auch die Dialoge zwischen den Dauerturteltauben Kassner und Kempf sind über die Länge nur schwer erträglich, und Brunner tat hier gut daran, die zwei Handlungsstränge in kürzere Kapitel aufzuteilen, die sich gerade rechtzeitig abwechseln. Durch die Vereinigung verlagert sich die Handlung dann in ein Kampf- und Flucht-Szenario, das mehr oder weniger sinnvolles Handeln der Protagonisten und Nebenfiguren auslöst.
Der Schreibstil Brenners geht soweit in Ordnung, lässt aber noch einiges an Luft nach oben. Insbesondere kommt durch der häufige Wechsel zwischen Vornamen, Namen und beschreibender Bezeichnungen wie “Der Mann” und “Die rothaarige Frau” für die Protagonisten keine wirkliche Nähe zu den Handelnden auf. Mir war es nicht möglich, mich mit einer oder einem der Handlungsträger zu identifizieren und mitzufühlen bzw. mitzuerleben. Auch fehlte beim Autorenstrang eine aktive Aktionsfigur, ich fühlte mich immer nur wie ein Zuschauer und sah von den Umständen in neue Situationen getriebene Figuren statt handelnder Personen. Hier war der Laborstrang mit Marek in beiden Punkten wesentlich stärker und näher am Leser dran. Das Ende des Buches war für mich allerdings eine herbe Enttäuschung, denn die Lösung entsprach in allem im Stil dem Autorenstrang. Zumindest jedoch war es nicht nur ein Traum, aus dem der gebeutelte Autor erwachte.